Körpersprache im Jemen
Nadia Al-Sakkaf, die Herausgeberin der YEMEN TIMES hat in der Ausgabe vom 3. Mai 2010 folgenden Beitrag veröffentlich:
Jedes Volk hat eine eigene Körpersprache, die aus einer Reihe von Gesten besteht, um bestimmte Aussagen anschaulich zu transportieren. Die Kenntnis dieser Gesten kann für den Fremden besonders hilfreich sein, und wer soweit kommt, diese Gesten selbst richtig anzuwenden, ist kein Fremder mehr.
Im Folgenden finden Sie einige dieser Gesten beschrieben und ihre Bedeutung erklärt:
(hier ist besonders zu beachten, dass einige Gesten ganz verschiedene Bedeutungen haben können)
Willkommensgesten
ala alras („mein Kopf heißt Dich willkommen“)
sieht man oft, wobei eine Handfläche vorne auf den Kopf gelegt wird, was aussagen soll, dass der Begrüßte hoch willkommen ist und als wichtige Person angesehen wird. Mitunter ist damit auch gemeint, dass der Gast, falls es keinen freien Platz mehr gibt, auf dem Kopf des Begrüßenden untergebracht würde ….
min aini („meine Augen für Dich“ – im Sinne von: „das mach ich sehr gerne für Dich“)
gilt als Versprechen, eine Bitte mit Freude und Eifer zu erfüllen. Dies geht auf eine überlieferte alte Vorstellung zurück, dass man sogar die Augen opfern würde, wenn es keine andere Möglichkeit gäbe, der Bitte nachzukommen. Dabei wird mit dem Zeigefinger auf ein Auge oder sogar hintereinander auf beide Augen gezeigt …
ala alraqaba (…„und wenn es meinen Hals kosten sollte“)
Hier bedeutet ein sanfter Schlag auf den Nacken, dass man bereit ist, eine Aufgabe bzw. Bitte selbst auf Kosten seines Lebens zu erfüllen. Besonders dann, wenn die Aufgabe mit Risiko verbunden ist oder wenn dringend etwas getan werden muss, weil andernfalls eine Enttäuschung oder großes Leid die Folge sein können.
Mit dieser Geste kann auch raqabat sadada („ich übernehme die Hilfe und, falls erforderlich, auch die Kosten“) gemeint sein, wenn jemand die volle Verantwortung für eine Handlung oder die Erfüllung eines Versprechens auf sich nimmt, bzw. auch die Kosten, egal wie hoch diese sein mögen.
min hinna (das Beste vom Besten)
will sagen, dass etwas (ein Gegenstand oder ein Ort) erstklassig ist. Dabei wird die Nasenspitze seitlich mit dem Finger berührt.
Warngesten
lawarik („Dir werd´ ich´s zeigen!“)
Ein Festhalten des Ohrläppchens zwischen Daumen und Ringfinger gilt als Warnung, dass dem/der anderen die Ohren langgezogen würden, wenn eine beabsichtigte Missetat wirklich ausgeführt werden sollte.
Diese Warnung einer körperlichen Bestrafung kann weniger bedrohlich auch dadurch ausgedrückt werden, dass Daumen und Zeigefinger einen Kreis bilden, während die anderen drei Finger einer Hand ausgestreckt sind und die Hand hin und her bewegt wird.
Oder auch:a`ar („wag´ das ja nicht!“)
Hier wird mit dem Zeigefinger auf die Rückseite des Ohres geklopft, um sein Gegenüber wissen zu lassen, dass eine Ausführung des geplanten Vorhabens böse Folgen haben würde.
Allah almusta´an („Schäm´ Dich! Hast Du denn gar kein Vertrauen?“)
Sich das Kinn halten und dabei oft auch noch den Kopf schief legen signalisiert: „Das hätt´ ich nicht von DIR erwartet“ oder „DU sollst Dich schämen“ – „ wie kannst Du nur an mir zweifeln …
wa la fils (nicht einen Cent)
Das Geräusch, das entsteht, wenn man mit dem Daumen schnell von innen nach außen über die Zähne streicht, soll bekräftigen, dass man nicht bereit ist, “auch nur einen Cent“ flüssig zu machen. Es kann auch bedeuten, dass jemand überhaupt kein Geld hat (völlig „stier“ ist).
atadak („Trau Dich!“ oder auch: „Wetten, das tust Du nicht“)
Ein Mann, der mit Daumen und Zeigefinger die Haut über seinem Adamsapfel auseinander dehnt, warnt die andere Person, dass ihr die Gugel durchgeschnitten würde, wenn von einem Vorhaben nicht Abstand genommen wird …
wala fi ahlamak („daran ist nicht einmal im Traum zu denken“)
eine ähnliche Geste, nur streifen hier die Finger symbolisch etwas von unter dem Kinn weg. Damit soll dem Gegenüber angezeigt werden, dass es sich wohl um illusorische Vorstellungen handeln muss und an eine Verwirklichung des Vorhabens nicht einmal im Traum zu denken ist.
Schreckens- und Trauergesten
ya waili („Oh mein Gott“)
Eine Bewegung, wie sie in vielen Kulturen eher von Frauen als von Männern verwendet wird: die Frau schlägt sich mit der Hand auf die Brust, wobei sie sich mit dem Körper vor und zurück wiegt.
ya musibatah („was für eine Katastrophe“, „wie schrecklich")
Zwar gleicht diese Geste fast dem Willkommensgruß, hat aber eine ganz andere Bedeutung. Auch wird die Hand nicht sanft auf den Kopf gelegt, sondern es wird mit der Hand mehrere Male auf den Kopf geschlagen um kundzutun, dass ein schreckliches Unglück passiert ist.
latm (schlagen, hier: sich ohrfeigen)
Um mitzuteilen, das etwas Schreckliches passiert ist, schlägt man sich auf eine oder auf beide Wangen, nicht mehr ein und aus wissend, was getan werden soll…
schamat („entsetzlich“, „was für eine Schande“)
Größte Verzweiflung kann zum Ausdruck gebracht werden, indem mit dem rechten Zeigefinder die Wange hinuntergefahren wird. Dieselbe Bewegung begleitet oft auch die Beschreibung eines schrecklichen Ereignisses, kann aber auch ein völlig andere Bedeutung haben:
Andere Gesten
etba wadschak („Versprich es mir“ oder auch „halte Dein Versprechen“)
Auch wenn die Hoffnung zum Ausdruck gebracht und dazu ermuntert werden soll, dass ein Versprechen gegeben oder eingehalten werde, verwenden Frauen oft den rechten Zeigefinger und fahren sich damit die Wange hinunter.
fisa („jetzt aber schnell“)
Ein meist mehrmals wiederholtes Schnalzen mit Daumen und Zeigefinger zeigt an, dass etwas schnell getan werden muss.
wa a la ainak („ob es Dir passt oder nicht“)
Wer mit der Faust einer Hand kräftig die Handfläche der zweiten Hand reibt, bringt zum Ausdruck, dass eine geplante Handlung ungeachtet aller Proteste durchgeführt wird oder auch schon, dass man etwas allen Schwierigkeiten zum Trotz geschafft hat. .
schusch („oh nein!“)
Hier handelt es sich um eine bestimmt vielerorts gebräuchliche Geste, im Jemen allerdings beißt man sich nicht in den Finger sondern in den Knöchel des Zeigefingers, wenn eindrücklich gefordert wird, kein Wort über ein bestimmtes Thema zu verlieren oder etwas zu verraten, bzw. ein Geheimnis preiszugeben.
Es kommt auch vor, dass sich jemand als Zeichen größten Bedauerns zwischen Daumen und Zeigefinger in die Hand beißt, z.B. wenn man etwas sehr Wichtiges vergessen hat.
zant (Arroganz)
Als „hochnasig“ wird jemand beschrieben, indem man die Nase mit dem Zeigefinger nach oben schiebt.
tanisch, tanisch („Vergiss´ es“)
Hier wird mit der geöffneten Hand symbolisch etwas nach rechts weg geschoben, während man nach links schaut.